Visuell evozierte Potentiale (VEP)

Die Netzhaut und das Gehirn sind komplizierte Netzwerke hochspezialisierter Zellen, deren Zusammenwirken für die verschiedenen Funktionen des Sehens von Bedeutung sind. Störungen des Sehens können daher durch Ursachen im Auge, in der Sehbahn oder dem Gehirn bedingt sein. Elektrophysiologische Untersuchungen messen die beim Sehvorgang in der Netzhaut und im Gehirn entstehenden Spannungsänderungen. Um zu sicheren Aussagen zu kommen, werden dazu die Augen durch definierte Lichtsignale gereizt und die entstehenden Spannungsänderungen mit standardisierten Techniken abgeleitet.

Zur adäquaten Beurteilung der Ergebnisse elektrophysio- logischer Untersuchungen ist stets ein Gespräch über die Vorgeschichte und die Symptome, eine Prüfung der Sehschärfe, eine Untersuchung der Augen an der Spaltlampe sowie eine Untersuchung des Augenhintergrundes mit Weitstellung der Pupille notwendig.

Das auf die Netzhaut fallende Licht wird in einen Nervenimpuls umgewandelt, der an das Sehzentrum im Gehirn weitergeleitet wird. Mit dem VEP wird die Zeit gemessen, die vom Auftreffen des Lichtes auf die Netzhaut bis zum Eintreffen des Signals im Sehzentrum des Gehirns vergeht (normal ungefähr 100 ms). Man verwendet ein wechselndes Schachbrett-Muster als Lichtreiz. Bei schlechtem Sehvermögen wird mit Lichtblitzen untersucht; dafür wird die Pupille weitgestellt. Für die Ableitung werden Elektroden an Stirn und Hinterkopf angeklebt. Ein VEP dauert mit Vorbereitung ca. 20 Minuten.

Verschiedene Krankheiten des Sehnerven können daran erkannt werden, daß die Latenzzeit verlängert ist. Veränderungen finden sich v.a. bei Entzündungen (bei Multipler Sklerose), Durchblutungsstörungen und mechanischen Schädigungen des Sehnerven. Ein VEP kann eine Sehstörung aufdecken, die bei einer Augenspiegelung nicht entdeckt werden kann.